Marko Schacher, M.A. – Eröffnungsrede zur Austellung "TRA RA ART" 2009, Galerie INTERART Stuttgart
Wir leben in einer Welt der Reizüberflutungen, der um Aufmerksamkeit heischenden schnellen, schnelllebigen Bilder. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf diese Situation zu reagieren – auch und vor allem als Künstler. Klaus Heuser hat sich dafür entschieden, mit der Bilderflut zu schwimmen, einzelne Protagonisten und Motive aus den Fluten zu fischen und als sogenannte "Tra Ra Art" mit medienskeptischem Beigeschmack zu präsentieren....

(Text ist stark gekürzt)

Eröffnungsrede Marko Schacher in der INTERART Galerie – 3. Juli 2009

Wir leben in einer Welt der Reizüberflutungen, der um Aufmerksamkeit heischenden schnellen, schnelllebigen Bilder. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf diese Situation zu reagieren – auch und vor allem als Künstler. Klaus Heuser hat sich dafür entschieden, mit der Bilderflut zu schwimmen, einzelne Protagonisten und Motive aus den Fluten zu fischen und als sogenannte "Tra Ra Art" mit medienskeptischem Beigeschmack zu präsentieren. Dabei ist das Kindlich-Verspielte, das in dieser Titulierung anklingt, durchaus Programm. Tri-Tra-Trallala, der Kasper ist da. Und zwar zum Beispiel in Person einer an Robert T. Online orientierten Figur, einem dauergrinsenden, blauäugigen, blonden Krawatten- und Anzugträger, der einst ins virtuelle Leben gerufen wurde, um der Telekom ein werbewirksames Gesicht zu geben. Für Klaus Heuser ist Robert T. Online ein "Master of the Universe", ein karrieresüchtiger, ohne Rücksicht auf Verluste agierender Erfolgstyp, wie er dem Buch "Jahrmarkt der Eitelkeiten" von Tom Wolfe entsprungen sein könnte. Ähnlichkeiten zu Dieter Bohlen sind kein Zufall. Heuser macht ihn zum Hampelmann, zum Matrosen, zum Monster, zum Außerirdischen und entlarvt seine betont coolen Gesten als Platituden. Auf vier Rondi, einem vor allem im späten Mittelalter zur Darstellung von Heiligen gebräuchlichen runden Format, changieren die Roberts bzw. Dieters zwischen Idiot und Ikone.

Mit einer an Verona Pooth erinnernden Schönheitsfassade und Michael Jackson haben weitere freiwillige und unfreiwillige Medien-Kasper, andere Kunstfiguren ihren Einzug in Klaus Heusers Tra-Ra-Art-Land gehalten. Wie wir alle mitbekommen haben, hat Michael Jackson vor wenigen Tagen sein Leben buchstäblich ausgehaucht und ist in andere Sphären entschwunden. Vielleicht hängt er hier an der Wand deshalb so hoch. Klaus Heuser zeigt den „King of Pop“ mit einer maskenhaften Visage, verschanzt in einer Trotzburg aus Sheriff-Stern und "Original American Shirt". Mit seiner „Tra Ra Art“ kritisiert Heuser den aufgeblasenen Kunstbetrieb mitsamt seinen bizarren Auswüchsen in Form von überkandidelten und überbewerteten Arbeiten von Jeff Koons oder Damien Hirst. Dass sein dreidimensionales Logo zur „Tra Ra Art“ viel Luft umhüllt und mit nicht so richtig passen wollenden Flügeln ausgestattet ist, ist da nur konsequent. Auch Ikarus wurde in seinem Höhenflug schlagartig gebremst.

Heusers Kritik ist aber nicht nur kritisch, sondern auch höchst unterhaltend und amüsant. So versetzt zum Beispiel Alice, die Werbe-Ikone des gleichnamigen DSL-Anbieters, sowohl eine antike Kämpfer-Statue wie auch Bruce Naumanns Neonfiguren in eine sichtlich vorfreudige Entzückung. Mehr aber auch nicht. Auch hier trifft Kunstfigur auf Kunstfigur.

Die gegenüber liegende Wand scheint dem Besucher „Willkommen, Bienvenue, kommen Sie näher, schauen Sie mit“ entgegen zu rufen. Wir treffen hier auf die Welt des Varietés und der Erotik, in der sich die Köpfe von Claudia Schiffer, Giselle Bündchen, Heidi Klum und anderer Modells zu einem ABC der Lippenbewegungen reduziert haben. Ein Keuschheitsgürtel für Männer scheint anzuzeigen, dass Mann sich hier keine Hoffnungen zu machen braucht. Alles Show, alles Fassade.

Im ersten Raum der Galerie treffen wir mit George W. Bush auf den wohl größten Medien-Kasper des letzten Jahrzehnts. Mal lässig cool mit den Händen in den Taschen, mal als Soldat, mal als Older Statesman inszeniert, präsentiert uns Klaus Heuser den ehemaligen amerikanischen Präsidenten als wandelbaren Dressman und pinnt ihm das von einer Muffin-Werbung geklaute Etikett „Authentic American“ an. Unter der Überschrift „Smoking Gun“ zeigt uns Heuser, gleich neben Robert T. Onlines Faxen-Parade, Demonstrationen der US-amerikanischen Kampfbereitschaft und Insignien der Macht. Diese Posen wirken genauso übertrieben wie die demonstrative Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung auf dem berühmten Strandkorb-Gruppenfoto, das 2007 im Rahmen des G8-Gipfeltreffens in Heiligendamm entstanden ist. Dass Klaus Heuser aus dem Foto eine gemütliche Kaffeefahrt mit dem Dampfer macht, steigert diesen Eindruck noch.

Manchmal bleibt einem das Grinsen regelrecht in den Mundwinkeln stecken. Zum Beispiel wenn sich verschiedene Menschenansammlungen, darunter demonstrierende Mönche, aber auch Marathonläufer und Fußballfans zum hierarchielosen Allover der Reize ergänzen, über dem plötzlich eine satanisch grinsende Fratze auftaucht. Assoziationen an Albrecht Altdorfers berühmte Schlachtengemälde sind ebenso möglich, wie an aktuelle Kriegsberichte. Das Individuum spielt in dieser Flut keine Rolle mehr. Mitgegangen, mitgefangen, mitgelitten.

Auf der gegenüber liegenden Seite hängt ein in Decollage-Technik entstandenes Quadrychon, das unter anderem Michelangelos „David“ mit „Mona Lisa“-Kopf und mit Jane Fonda-Innenleben zeigt und Man Rays Hommage an Ingres mit aktuellen Model-Beinen. So scheint diese Arbeit auf die Austauschbarkeit und das große Referenz-Potential kunstgeschichtlicher Bilder-Bausteine zu verweisen. Mit diesem Werk knüpft Heuser an seine frühen Arbeiten an, die in der Tradition von Dada und den großen Decollagisten wie Wolf Vostell und Mimmo Rotella stehen. Die im dritten Raum präsentierten Arbeiten wiederum erinnern aufgrund des scheinbar hierarchielosen Allovers der Bildmotive, aufgrund der Vermischung von Werbemotiven, Kunstprotagonisten und Kinohelden an Andy Warhols Maxime "Anything Goes". Alles geht!

Dass Warhols Portrait und Abbildungen seiner Arbeiten in einer mannshohen Zeitungspapier-Collage, neben den Konterfeis von Joseph Beuys und Gilbert & George als Motive eines Anzugs auftauchen und Maria mit dem Jesuskind im Arm direkt über Warhols Adaption von Marilyn Monroe, unterstreicht den gemeinsamen Ansatz von Warhol und Heuser. In die Collage integrierte Überschriften wie "Viel mehr fürs Geld!", "Mehr für die Mark!" und "Noch billiger!" referieren auf die massenhafte Vermarktung der zum Mainstream, zum Massenphänomen gewordenen Kunstwerke. Wenn Klaus Heuser wiederum Hunderte wild gestikulierender Politiker, darunter Guido Westerwelle und Rezzo Schlauch, zu einem lebensgroßen Politiker-Schreihals zusammensetzt, ist das ein deutlicher Verweis auf die Geltungssucht der Politiker.

Den Völkermord im ostafrikanischen Ruanda hat Klaus Heuser wiederum zum Anlass genommen, um über dem Slogan "GO MAN GO" einen Soldaten in roter Mütze aus einem Flammenherd auf den Betrachter zu stürmen zu lassen. Als Kontrast lässt Heuser Michael Schumacher als zu groß gewachsenen Bubi mit seinem Ferrari-roten Roller über die Bildfläche düsen und seine Sponsoren, darunter „gut und billig“ und sinnigerweise „Red Zac“, zur Schau tragen und rückt einen ebenfalls demoliert wirkenden „Demolition Man“ stoisch ins Bild. Ein von Heuser „Ilder Bilder“ genannter Maler trägt Modigliani im Herzen und einen Elsheimer in der Hand. Daneben schwenkt eine personifizierte „Konsumtia“, die Heilige des Konsums, ihre „High Heels“-Fahne der weiblichen Emanzipation und lässt die Köpfe dreier Männlein zum Phallus mutieren.

Auch der formale Ansatz von Klaus Heuser hat seinen Reiz. Heuser hat einen spannenden, individuellen Weg gefunden, die Collage mittels analogem Arbeiten jenseits eines Photoshop-Computer-Programms ins 21. Jahrhundert zu übertragen. Durch seine Übermalungen der Collagen und Decollagen fügt er den Werken eine weitere Realitätsebene hinzu. Zudem macht Heuser keinen Unterschied zwischen Original und Kopie, also zum Beispiel zwischen Original-Plakaten von Robert T-Online und selbst erstellten Farbkopien oder zwischen einer Original-Katalog-Abbildung eines Mondigliani und einer selbst abgemalten "Mademoiselle d'Avignon" von Picasso.

Auch die Grenze von zweidimensionalem Bild und dreidimensionaler Wandskulptur scheint bei ihm nicht zu existieren. Viele Figuren scheinen sich mit ihrer Zweidimensionalität nicht abfinden zu wollen und drängen mit dem Kinn, der Zunge oder den Händen in den Raum. Und auch die Trennung zwischen kunstwürdigen und kunstunwürdigen Materialien gibt es bei ihm nicht.

"Just what is it, that makes today's homes so different, so appealing?", hat der Pop-Art-Künstler Richard Hamilton 1956 mit seiner gleichnamigen, inzwischen berühmt gewordenen Collage gefragt. Als Antwort präsentierte er innerhalb seiner Collage eine Vermischung der vermeintlich hohen Kunst – zum Beispiel in Form eines gerahmten Gemäldes – mit der bis dahin als niedrig, als "low" angesehenen Kunst der Comic-Bilder und des Möbel-Designs. Herr Hamilton hätte sich sicher auch in der Ausstellung von Klaus Heuser wohl gefühlt. Die Trennung in High und Low spielt hier keine Rolle. Alles scheint gleich wichtig, oder auch gleich unwichtig zu sein. Die Schwerkraft, die natürlichen Größenverhältnisse, die Farben und Formen dessen, was wir naiv als "Realität" bezeichnen, sind außer Kraft gesetzt. Die Bildmotive scheinen auf der Bildfläche aufzutauchen, um im nächsten Moment wieder darin zu versinken. From Hero to Zero. Robert T. Online kann ein Lied davon singen.

Die Entscheidung, wer oder was, warum, in welcher Form in Form eines Plakatfetzens, Zeitungs-schnipsels oder Computerausdrucks in das Atelier von Heuser gelangt, ist höchst subjektiv: Manche Motive sind belustigend, manche sind verstörend, die meisten sind aber beides: belustigend und verstörend. Im einen Moment geben sie sich humorvoll und gutgelaunt, im nächsten Moment sind sie garstig und gemein.

Eines ist sicher: Die Tra Ra Art von Klaus Heuser unterhält, belustigt, und regt vor allem zum Nachdenken an, zum Hinterfragen der auf uns alltäglich einströmenden Bilderflut. Viel Trara um nichts, könnte man und darf man denken. Doch dieses "Nichts" sind wir, diese Bedeutungs-Blase bestimmen wir mit unseren Sehgewohnheiten, mit unserer Aufmerksamkeit, mit unseren Käufen mit! Lassen Sie uns also dauerhafte Werte suchen. In der Ausstellung, aber auch außerhalb der Ausstellung! Bleibt mir nur noch, mich bei I

hnen zu bedanken, für Ihr Kommen und für Ihre Aufmerksamkeit – und Sie zu bitten: Machen Sie sich selbst auf ihre eigene Spurensuche in der fabelhaften Welt des Klaus Heuser, suchen und finden Sie eigene Assoziationen und finden Sie bitte den Mut und die Zeit, auf die Kunstwerke, aber auch auf den anwesenden Künstler zuzugehen.


Otto Pannewitz, M.A.: Katalogvorwort zur Retrospektive „Klaus Heuser:
Der Helter Skelter ist der Ilder Bilder“ in der Galerie der Stadt Sindelfingen mit Sammlung Reinheimer, 1999

Die Problematisierung der Wahrnehmung.

Am Anfang steht die Malerei. Mitte der 60er Jahre verpflichtet sich Heuser dem Bild und dem Objekt. Nach Fotos des nicht-offiziellen Führers entstand 1970 seine Deutschen Trilogie. Mauer-, Wandbilder schliessen sich an, in denen man Gegenstand und Bild nur schwerlich trennen kann. Die Teile des Triptychons Fructa geraten in ihrer Illusion zum Objekt und sind zugleich brilliante Malerei.

Die Sandbilder der 90er Jahre verbindet er mit der malerischen Finesse zu einer besonders sinnlichen Qualität.

Mitte der 80er Jahre entstehen Frottagen, stille Spuren der Vergangenheit, der Zeit. Im Laufe der Jahre entstehen Bildtableaus, Collagen aus Frottagen, in denen verschiedene Zeiten, Realitäten, aufeinandertreffen. Vom Künstler beabsichtige Korrelationen erlangen eine eigene poetische und ästhetische Dimension.

Im Collagieren der Frottagen nimmt die Collage zunehmende Bedeutung an. Nichtzusammengehörendes, eine andere Sicht auf die Wirklichkeit.

In den 90er Jahren entstehen collagierte Decollagen von lauter und gesprächiger Intensität. Im scheinbaren Verstehen liegt der Reiz dieser Weltenbilder.
In all seinen Werken ist der Nouveau Réaliste zuhause, der seine Umwelt aufsaugt, ihr ein neues reales Gesicht verleiht, auch um der Wahrhaftigkeit willen.

(Text ist stark gekürzt)


Prof.Dr. Hans Gercke, Heidelberger Kunstverein, Vorwort im Katalog zur Ausstellung Klaus Heuser: Frottagen Sandbilder Collagen Gegenstände" in der Galerie Angelika Harthan, Stuttgart, 1996
Vom Machen und (Er)-Finden.
Zu den neuen Arbeiten von Klaus Heuser.

...........Schon 1985 schuf er Frottagen, freilich eher beiläufig, absichtslos. Damals "machte" Heuser noch alles selbst: In seinen Sandbildern entstanden Wände neu, das Gesehene und Gefundene wurde im "Labor" nachgestellt, frei und durchaus subjektiv empfunden.

In jüngster Zeit hat die Frottage bei Heuser eine neue Bedeutung erlangt 1994/95 stellte er aus Frottagen, die er seit 1990 in alten Kirchen ........... vom Mauerwerk abgenommen hatte, großformatige Bild-Tableaux zusammen. Die Titel verraten, worum es Heuser geht: "Sprache der Steine" heißt eine Arbeit, "das Gedächtnis der Steine" eine andere. Zeichen aus verschiedensten Zeiten überlagern und begegnen einander.......Papiere und Stoffe werden aneinandergeklebt und genäht, was dabei entsteht ist eine Bilderwand der Menetekel, die von der vom Kühstler "gemachten" Verdichtung lebt........ Die Kontinuität und Konsequenz im Schaffen des Künstlers erweist sich nicht zuletzt darin, dass ein 1976 ausgesprochener Satz noch heute Gültigkeit hat.......... Damals also äußerte sich Heuser in einem Interview, das Götz Adriani mit ihm führte, wie folgt: "Mein Objekt ist selbstgemacht und soll zwei Erscheinungsformen vereinigen: Die des Bildes und die des Gegenstandes".

Collagen bilden denn auch die zweite der hier vorgestellten Werkgruppen.......... "The legend is alive" versteht sich als "collagierte Decollage", der Rahmen trägt die Aufschrift "priority art". ...... die horror-vacui-hafte Dichte erinnert an die der Frottagen, Konzentrat, Kondensat also auch dies, doch nicht ohne klare, ordnende Struktur.

Die neuen Sandbilder sind nicht mehr jenem trompe l'oeil-Realismus verpflichtet, der für frühere Arbeiten Heusers so charakteristisch war. Heusers Malerei hat sich mittlerweile weitgehend vom Gegenständlichen gelöst, doch wenn sie sich zu weit von ihren Ursprüngen entfernt, holt Heuser diese selbst wieder ins Bild zurück: Ein Auge blickt den Betrachter aus dem "Warschauer Herbst" an, ein...... Stuhl betätigt sich als Staffelei und konfrontiert ein "Bild im Bild" ganz anderer Art mit dem athmosphärisch schönen Fond des in zarten Farben chagierenden Sandes: Die Verbindung des ästhetisch Immateriellen, Energetischen, mit der tastbaren Substanz uralter Erosionsrelikte ........ genügt Heuser nicht. Er holt den Betrachter wieder in die Welt des Menschen zurück......., "indem es von Heuser wahrgenommen wird, entsteht neu, was seit Jan van Eyck alle großen Realisten faszinierte: dass nämlich alle Kunst in der Natur (sprich Umwelt) steckt."


Prof. Dr. Reinhard Döhl: „Wirklichkeitssuche“ Zur Ausstellung Klaus Heuser/Christiane Reinhardt in der Galerie Angelika Harthan, Stuttgart, 1990.
..... bei Heuser scheint mir in den letzten Jahren ein entschiedener und entscheidender Schritt erfolgt im Übergang von den Wand- zu den Materialbildern, den Sandbildern.... Spielten die Wandbilder in ihrer gelegentlichen Nähe zur Trompe l'oeil-Malerei aber auch zum Fotorealismus, mit Wirklichkeit und Schein, mit einer vorgespiegelten Wirklichkeit, die nur Schein war, und mit Schein, der für Wirklichkeit gegeben wurde, können die Arbeiten der letzten Zeit auf solche Täuschungsmanöver verzichten. Sie gehen aus von Realität..... sie fügen diese Ausgangsmaterialien zu überraschenden ästhetischen Botschaften neu zusammen. Zu ästhetischen Wirklichkeiten, die einmal für sich selbst stehen, und die ... in ihrer Materialität ausreichend Realität zitieren und enthalten...... An die Stelle der Täuschungsmanöver, der Verwirrspiele mit Wirklichkeit und Schein ist jetzt das Spiel zwischen ästhetischer neuer und zitierter alter Wirklichkeit getreten. Wobei mir daran liegt, Spiel besonders zu betonen........

Reinhard Döhl - Wirklichkeitssuche

Zur Ausstellung Christiane Reinhardt / Klaus Heuser

Doppelausstellungen sind immer etwas Vertracktes, für das Publikum ebenso wie für den Eröffner. Denn das Zusammentreffen zweier künstlerischer Temperamente, die gemeinsame Präsentation unterschiedlicher Produktionen und ihre unterschiedlichen Ansprüche, die sie an den Betrachter machen, verführen schnell dazu, das Ausgestellte zu vergleichen oder auch zu unterscheiden, gegeneinander zu wägen und aneinander zu werten. Mit der Gefahr, daß dies alles sehr oberflächlich gerät.

Ich bemerke dies als Warnung vorweg, da ich mir nicht sicher bin, ob ich in jedem Fall dem Vordergrund, den Vordergründen der Reinhardtschen Mischtechniken, der Oberfläche, den Oberflächen der Heuserschen Materialbilder hinter den Sinn bzw. auf den Grund gekommen bin.

Da sowohl Frau Reinhardt wie Klaus Heuser in dieser Galerie bereits ausgestellt haben, dem Publikum also keine Unbekannten mehr sind, erspare ich mir Vorstellung und Skizze der Werkentwicklung und greife gleich zur Einladung, genauer zu den beiden dort wiedergegebenen Arbeiten. Bei ihnen ist mir nämlich - von der nicht ganz glücklichen Farbabstimmung einmal abgesehen - aufgefallen, daß Christiane Reinhardt ihre Arbeit recht lakonisch ,"Zählerkasten" getitelt hat, während Klaus Heuser eher verspielt von "Variations sur un K: saltimbanque" spricht, von den Variationen eines K und von einem Gaukler oder Possenreißer.

Da ich selbst ein wenig verspielt bin, erlaube ich mir, den eher lakonischen Titel des Bildes von Frau Reinhardt ebenfalls zu verfremdsprachlichen und ihn durch Metritis revmatos zu ersetzen. Und ich tue dies, weil uns ein solcher Metritis revmatos sprachlich nach Griechenland führt und damit Ort und Anlaß der hier ausgestellten Mischtechniken benennt, während die Bildunterschrift Klaus Heusers nach Frankreich weist. Auslandsaufenthalte und -erlebnisse sind demnach ein erster gemeinsamer Nenner der hier gemeinsam ausgestellten Arbeiten, wobei es sich in jedem Fall nicht um eine einmalige Reise handelt.

Bei Christiane Reinhardt ist mit den Griechenlandreisen allerdings ein Themenwechsel verbunden. War es ursprünglich die griechische Landschaft, die sich ihr physiognomisch erschloß und den Landschaftscharakter des menschlichen Körpers entdeckte (Schütz), so waren es im letzten Jahr sehr private Erlebnisse, die ihr die farbigen Zählerkästen an griechischen Häusern zur Metapher persönlicher Getroffenheit werden ließen.

Ohne solche Einbrüche wurden für Klaus Heuser häufigere Frankreichreisen zum Anlaß seiner Materialbilder, steht bei ihm an Stelle einer persönlichen Ge- eine ästhetische Betroffenheit, ausgelöst durch Einritzungen in Mauern oder Wänden, durch hinterlassene Spuren, die die Fantasie in Gang setzen. Wobei man den Fundort - die Touraine - zu einem ersten Verständnis Bemühen darf. Setzt sich diese doch bekanntlich aus Kreideplateaus zusammen, die von tonigen Sanden bedeckt sind - eine Geologie, die dem Betrachter gleichsam als Eselsbrücke den leicht ritzbaren Stein und den Sand liefert, die für die Materialbilder eine so entscheidende Rolle spielen.

Geht man zusätzlich dem Alter der Wände und ihrer Inschriften nach, verliert man sich schnell ins 16. Jahrhundert, gewinnt die Zeit ein zusätzliches Gewicht. So mag sich der geneigte Betrachter je nach Leseerfahrung oder Laune an Marcel Prousts "A la recherche du temps perdu" erinnert fühlen oder - profaner - an Sanduhren. Diese Erfahrung der Zeit aber ist zugleich ein zweiter gemeinsamer Nenner der heutigen Ausstellung, sind doch Prousts Romantitel, Sanduhr oder Zählerkasten als Metaphern durchaus vergleichbar.

Ich darf, mit freundlicher Genehmigung von Frau Reinhardt, zitieren, wie in einer bestimmten Situation in Griechenland der Zählerkasten für sie bedeutend wurde, wobei die Situation selbst als privat ausgespart bleiben kann. Unser Leben, hat Frau Reinhardt notiert, scheint mir im 'Zählerkasten' festgehalten . Wiedergabe von Energieverbrauch, gelebtes Leben, Zwischenbilanz... Verbindung zu quadratischen und rechteckigen Gegenständen, die ein Zählwerk in sich tragen und dem Menschen das Vergehen der Zeit deutlich machen. [ . . . ] Spielen Raum und Zeit keine Rolle? Oder spielen sie die Hauptrolle? Wie verwende, oder verschwende ich meine Zeit, meine Energie?

Damit, daß Frau Reinhardt auf ihre Mischtechniken gelegentlich auch Sand aufbringt, ist nun allerdings kein drittes Gemeinsames gegeben, deutet sich vielmehr entschieden Unterschiedliches an. Dazu muß ich ein wenig ausholen. Die Interpretation hat als zentrales Thema der Landschaftskörper bzw. Körperlandschaften Christiane Reinhardts den Menschen als handelndes und leidendes Wesen benannt. Die Landschaft sei der Lebensraum, der den Menschen präge; zugleich aber verändere und deformiere er diesen seinen Lebensraum (Schütz). Diese implizite Dialektik verlagert sich in dem Maße, in dem sich Christiane Reinhardts Bildgegenstände ändern oder - anders ausgedrückt - in dem Maße der Mensch, die menschliche Figur aus ihren Bildern verschwindet.

Man kann über die hier angenommene Werkentwicklung vielleicht streiten, zumal bei Frau Reinhardt manches noch ausfomuliert wird, während sich anderes gleichzeitig schon artikuliert. Doch möchte ich bei meiner Reihenfolge bleiben und sie mit den Körperlandschaften (Anfang der 80er Jahre), den "Mauerstücken" (1986) und schließlich den "Zählerkästen" beispielhaft besetzen. Ist auf den "Mauerstücken" der Mensch allenfalls noch spurenhaft anwesend, vielleicht noch als Errichter der Mauer denkbar, verweisen die "Zählerkästen" auf ihn lediglich noch als Energieverbraucher (in dem Sinne, in dem ich Christiane Reinhardt zitiert habe).

Nun ist auffallend, daß in dem Maße, in dem der Mensch aus diesen Bildern verschwindet oder ausgespart bleibt, die Betroffenheit einer persönlichen Getroffenheit weicht, die ursprüngliche wilde Farbigkeit der Bilder sich zurücknimmt, ihre Gegenständlichkeit sich versachlicht. Dies allerdings nicht so, daß man davon sprechen könnte, die neueren Arbeiten Christiane Reinhardts seien ruhiger geworden. Wer dies so sieht, der übersieht die Bedeutung der zurückgenommenen, nachdenklicheren Gestik, des Wechsels der Farbigkeit in Richtung der Erdfarben. Der übersieht die ausweglosen Höhlen auf diesen Bildern, zu denen der Malakt die Zählerkästen mutieren läßt, der übersieht die unübersteigbaren Mauern hinter diesen Kästen und ihre Undurchdringlichkeit noch dort, wo sich die Kästen wie Nischen in sie eingegraben haben. Ich jedenfalls denke, daß die hier ausgestellten Arbeiten nur bedingt die Unruhe, die Depression verbergen, aus denen heraus sie entstanden sind auf der Suche nach einer Antwort. Und dabei sehe ich den zum Teil aufgebrachten Sand weniger material als funktional: als etwas, das scheuert, reibt und in diesem Sinne Schmerz erzeugen, verletzen kann, als malerisches Signal für Verletzbarkeit und Verletzung.

Das ist bei den Materialbildern Klaus Heusers ganz anders. Für ihn hat der aufgebrachte Sand vor allem farbliche Qualität, spielt seine hellgrüne, rosa oder ockrige Tönung vor allem eine kompositorische Rolle. Und vielleicht kann man den Unterschied und das jeweils Eigenständige auch so ausdrücken, daß man sagt: Christiane Reinhardt nähert sich bei ihren "Zählerkästen" den Erdfarben, wobei sie gelegentlich Sand als haptisches Bi/ldelement einsetzt, während Klaus Heuser ihn primär optisch, zum Einfärben seiner Materialbilder einsetzt, deren wesentliches Element er zugleich ist.

Nun ist das Epitheton material, der Terminus Materialbild durch einen zeitweilig inflationären Wortgebrauch mit Mißverständnissen besetzt, was mich gereizt hat, zu überlegen, was denn die Klassifizierung als Materialbild für Klaus Heuser besagen will. Denn das Adjektiv material bedeutet ja nicht nur - wie uns die Materialfetischisten weismachen wollten - stofflich, sondern es bedeutet auch inhaltlich, sachlich. Und das Substantiv Material meint nicht nur Rohstoff, Werkstoff, sondern zugleich Unterlage, Beleg, Sammlung. Sicherlich sind Heusers Materialbilder in ihrem ersten Ansatz von dem verwendeten Rohstoff: also dem aufgesiebten Sand, der gefundenen Einritzung oder Inschrift her determiniert. Aber in einem zweiten Ansatz sind sie auch Beleg (einer gefundenen Inschrift z.B.), gesammelt und archiviert als Frottage, also in jener von Max Ernst für die Kunst gefundenen Technik der Spurensicherung, aber auch der Möglichkeit ihrer inhaltlich überraschenden Ausdeutung. Ich erinnere an den Titel der Arbeit, von der wir ausgingen: "Variations sur un K: saltimbanque".

Wenn ich mich, wie bei Christiane Reinhardt, auch bei Klaus Heuser für einen Moment in die Werkgenese verirren darf: auch bei ihm scheint mir in den letzten Jahren ein entschiedener und entscheidender Schritt erfolgt im Übergang von den Wand- zu den Materialbildern, den Sandbildern, Buchobjekten und neuesten recht eigenwilligen Kleinplastiken. Spielten die Wandbilder, in ihrer gelegentlichen Nähe zur Trompe l'oeil-Malerei aber auch zum Fotorealismus, mit Wirklichkeit und Schein, mit einer vorgespiegelten Wirklichkeit, die nur Schein war, und mit Schein, der für Wirklichkeit gegeben wurde, können die Arbeiten der letzten Zeit auf solche Täuschungsmanöver verzichten. Sie gehen aus von Realität bzw. ihrer Oberfläche, von Wänden, Mauern und den Spuren, die reale Menschen irgendwann auf ihnen hinterlassen haben. Und sie fügen diese Ausgangsmaterialien zu überraschenden ästhetischen Botschaften neu zusammen. Zu ästhetischen Wirklichkeiten, die einmal für sich selbst stehen, und die zugleich in ihrer Materialität ausreichend Realität zitieren und enthalten.

Mit anderen Worten: an die Stelle der Täuschungsmanöver, der Verwirrspiele mit Wirklichkeit und Schein ist jetzt das Spiel zwischen ästhetischer neuer und zitierter alter Wirklichkeit getreten. Wobei mir daran liegt, Spiel besonders zu betonen, denn nicht von ungefähr hat Klaus Heuser eine Variation des K als Gaukler, als Possenreißer und damit als Spielfigur gedeutet.

Ein solches Spiel mit Wirklichkeit auf doppeltem Boden ist aber in seinem Grunde - wie die "Zählerkästen" Christiane Reinhardts es unter anderen Voraussetzungen auch sind - nichts anderes als der Versuch, sich mit sich selbst in der Welt und ihrer Wirklichkeit zurechtzufinden. Wenn ich unterstelle, daß Wirklichkeit mehr und anderes ist als das, was uns die Medien täglich als solche frei Haus liefern, darf ich die Arbeiten dieser Ausstellung auch sehen als dem unterschiedlichen Temperament der beiden Künstler adäquate Artikulationen von Wirklichkeitssuche, Kunstausdruck in einem Sinne, wie ihn Marcel Proust definierte. Der nämlich schließt seine Suche nach der verlorenen Zeit bekanntlich in der "Wiedergefundenen Zeit".

Wem das jetzt zu weit hergeholt scheint, dem sei zugestanden, daß man die hier ausgestellten Arbeiten selbstverständlich auch anders erklären kann. Und daß man sie am besten gar nicht erklärt, sondern sie sich an die Wand hängt und sich über sie freut, mit ihnen spielt oder sich von ihnen betroffen machen läßt - je nach Temperament.

[9.2.1990]


Gerald Deslandes im Katalog zur Ausstellung „Direct Contact“, Chapter Art Center, Cardiff, 1986
…….In Klaus Heuser’s work I admired his sensibility towards texture and his ability to make use of the margin of a newspaper or the cover of an exercise book as the starting point for something entirely different.


Dr. Juliane Roh in „Das Kunstwerk“. 4/1978 zur Ausstellung „Klaus Heuser“, Kunstverein München, 1978
….. Man steht bei Heusers Bildern vor täuschend gemalten Holzwänden, Keilrahmen, die an gemalter Leinwand lehnen, vor rostigen Eisentoren oder mit Farbkreiden beschmierten Bretterwänden, wobei Sand und Gips die Täuschung zuweilen bis ins Tastbare treiben. Immer handelt es sich um differenzierte, sinnlich schöne Malerei, also um „peinture“ im Geiste des fait pictural……… Bei Heuser haben sich die „Gegenstände sozusagen selbst gemalt, sie fallen mit den ästhetischen Zielvorstellungen des Malers zusammen. Er kann es sich erlauben, ein Realist zu sein.


Sibylle Maus, Vorwort im Katalog zur Ausstellung KLAUS HEUSER: Gegenstände im Kunst- und Kunstgewerbeverein Pforzheim, Reuchlinhaus, 1982
Mein Objekt ist selbstgemacht und soll zwei Erscheinungsformen vereinen, die des Bildes und die des Gegenstandes (Klaus Heuser) oder: Die sonderbaren Konjunkturen des Zufalls (Novalis)

........Polarisierung ist, wenn man's nur recht betrachtet, das geheime Prinzip aller Heuser-Arbeiten - mit Ausnahme eben der Hitler-Bilder: doch sind die wiederum, behaupte ich jetzt einmal ganz kühn, die Bilder der Bilder. Denn sie sind als Leitmotiv auf alle Gegenstände übergegangen, die Gegenstände haben sich nicht nur selbst gemalt (Juliane Roh), sondern sind vor allem dazu da, eine ständige intellektuelle und emotionale Beschäftigung mit dem auszutragen, was man im schlimmsten Fall Faschismus nennt...... Mehr denn je "schweben die Artisten unter der Zirkuskuppel im Freien" (Kluge/Heuser), denn "das Volk" nimmt ihre Kunststücke nicht mehr wahr. Anfang der achtziger Jahre kam Klaus Heuser mit einer Künstlerdelegation nach Warschau. Er sah eine Bevölkerung, die sich mit westlichen Plastiktüten und Musikkonserven gegen die drohende östliche Front abzugrenzen suchte ...... Heuser sah das Judenghetto als einzigen leeren Platz und sah die neue Angst vor Überwachung wachsen. Er stellte sich vor: An einer Mauer hätte sich jemand in großen Parolenbuchstaben mit der "Solidarität" solidarisieren wollen; das Wort bricht ab...... Auch diese Bilder waren für Heuser ein Schock. Er benannte ihn um in "Warschauer Tryptichon". ...... Deutsche Trilogie und Warschauer Tryptichon - ein Künstler leidet..... Er sucht auf Wänden, denen die sonderbaren Konjunkturen des Zufalls ihre Vielschichtigkeit und damit ihre Geschichte gelassen haben, nach Spuren von Ort, Zeit, Handlung und damit Leben......... Für den ganzen Text klicken Sie hier*


Prof. Dr. Götz Adriani, Auszug aus einem Interview mit K. Heuser im Katalog zur Ausstellung
„Bilder und Bildobjekte“ in der Kunsthalle Tübingen, 1976
K. Heuser: Ausgangspunkt der 1970/71 entstandenen Deutschen Trilogie waren im Dritten Reich nicht veröffentlichte Führerphotos. In diesen Bildern habe ich versucht, subjektive Vergangenheit, eigene Erfahrungen mit – über das Dritte Reich hinaus – tradierten ethischen und ästhetischen Wertvorstellungen, loszuwerden. Die Kontinuität gewisser bürgerlicher Konventionen sollte deutlich gemacht werden. Der formale Aspekt ist insofern angesprochen, als ich versucht habe, im Sinne herkömmlicher Malerei und bewusst wertvollen Silber- und Goldrahmen, eine Art des Kunstgeniessens zu evozieren, die dann aufgrund des Inhalts nicht unbedingt möglich ist.

G. Adriani: In ihren neueren Arbeiten gibt es einen Realismus in der Darstellung, d.h. auf der Leinwand – und eine Realität des Bildobjekts selbst. Vertragen sich diese beiden Kategorien?

K. Heuser: Ich glaube schon. Ich möchte das Bild zu einem Gegenstand werden lassen, den man in die Realität stellen kann.

G. Adriani: D.h. das Bild erhält Objektcharakter. Wie sieht dieser Objektcharakter aus? Wodurch wird er erreicht?

K. Heuser: Indem ich das darstelle, was am leichtesten wirklich sein könnte. Es geht hierbei nicht um Abbildung von Wirklichkeit, sondern um Wirklichkeit selbst. Eine auf einen Keilrahmen aufgespannte Leinwand besitzt diese; so entsteht auf Leinwand und flächenparallel zur wirklichen Wand gemalte Wand…………


(Text ist stark gekürzt)

Prof. Dr. Götz Adriani: Interview mit Klaus Heuser im Katalog zur Ausstellung "Bilder und Bildobjekte" in der Kunsthalle Tübingen, 1976

Fragen an Klaus Heuser

Ihre Arbeiten behandeln verschiedene Themen. Diese differieren zwischen einem mehr zeitkritischen und historienkritischen Ansatz - etwa die Hitlerbilder (s.Katalog, Abb.3, 4, 5) - und Varianten zur Wahrnehmungshaltung, wie sie in den Wandbildern zum Ausdruck kommen. Besteht hier ein Zusammenhang? Das eine ist ja ein inhaltliches Problem, das andere ein formal, visuelles.

Auf den ersten Blick sicher nicht. Aber man muss Bilder im Zusammenhang mit der Zeit sehen in der sie gemalt wurden. Ausgangspunkt der 1970/71 entstandenen Hitlerbilder waren im Dritten Reich nicht veröffentlichte Führerfotos. In diesen Bildern habe ich versucht, subjektive Vergangenheit, eigene Erfahrungen mit - über das Dritte Reich hinaus - tradierten ethischen und ästhetischen Wertvorstellungen, loszuwerden. Die Kontinuität gewisser bürgerlicher Konventionen sollte deutlich gemacht werden. Der formale Aspekt ist insofern angesprochen, als ich versucht habe, im Sinne herkömmlicher Malerei und bewusst wertvollen Silber- oder Goldrahmen, eine Art des Kunstgenießens zu evozieren, die dann aufgrund des Inhalts nicht unbegingt möglich ist.

Also auch hier schon Ansätze zu Ihrer jetzigen Problematik im Hinblick auf verschiedene Wahrnehmungsrealitäten.

Ja, in gewisser Weise schon.

In Ihren neueren Arbeiten gibt es einen Realismus in der Darstellung, d.h. auf der Leinwand - und eine Realität des Bildobjekts selbst. Vertragen sich diese beiden Kategorien?

Ich glaube schon. Ich möchte das Bild zu einem Gegenstand werden lassen, den man in die Realität stellen kann.

D.h. das Bild erhält Objektcharakter. Wie sieht dieser Objektcharakter aus? Wodurch wird er erreicht?

Indem ich das darstelle, was am leichtesten wirklich sein könnte. Es geht hierbei nicht um Abbildung von Wirklichkeit, sondern um Wirklichkeit selbst. Eine auf einen Keilrahmen aufgespannte Leinwand besitzt diese; so entsteht auf Leinwand und flächenparallel zur wirklichen Wand gemalte Wand.

Stellen sie denn die Wand dar, in deren Zusammenhang das Bild hängt, oder stellen Sie einfach Wand dar?

Ich möchte beides. Die Wand auf der Wand kann für sich stehen - als Wandbild - oder als zur Wand gehörig angesehen werden.

Aber Sie machen auch Bildobjekte, d.h. Sie malen Bilder, die aus diesem Zusammenhang herausgenommen werden, die auf dem Boden stehen. Ist da ein größerer Wirklichkeitsgrad erzielt, indem ich einfach das Bild aus seinem Bildkontext löse und in einen neuen Kontext bringe?

Meine Bildobjekte haben, bewusst, keine Rahmen. Die dadurch sichtbar werdenden Seitenflächen - sie sind ebenfalls bemalt - ergeben Dreidimensionalität und betonen das Objekthafte. Ein Mast, ein Eisentor, eine Betonwand, die auf dem Boden stehen, ein Blech, das an der Wand lehnt, sehen aus wie echt.

Glauben Sie, dass durch diesen Akt der Verselbständigung des Bildes die Wahrnehmung des Betrachters, bezogen auf das Bildobjekt, gesteigert werden kann?

Vielleicht. Ich will, dass er genauer hinsieht. In den zweiteiligen Bildobjekten "Keilrahmen" (s. Katalog, Abb. 18) und "Rot vor Blau" (s. Katalog, Abb. 19) fallen gemalte und wirkliche Schatten zusammen. Schein und Wirklichkeit verschwimmen.

Werden durch dieses Irritationsmoment Wahrnehmungsmechanismen gestört und dadurch letzten Endes auch intensiviert?

Ich möchte Wahrnehmung soweit problematisieren, dass sie Gegenstand und Inhalt meiner Arbeit sein kann. Meines Erachtens ist für den Betrachter, der sich nicht eingehender mit Kunst befasst, das "sieht aus wie echt", die wirklichkeitsnahe Darstellung, häufig einziger Massstab seines Kunstverständnisses. Dies ist einer der Gründe, warum ich illusionistisch male. Mit der Zeit habe ich herausgefunden, dass sich die größtmögliche Illusion einstellt, dies gilt meiner Erachtens auch für den Betrachter, wenn ich nur einen ganz geringen Tiefenraum darstelle. Durch Strukturierung, zum Teil wird Sand beigemischt, und Hell-Dunkel-Abstufung der Farbe, entsteht Oberfläche mit kleinen Erhebungen und Vertiefungen. Dass ich diesen Illusionismus benutze, um auf Leinwand gemalte Wand entstehen zu lassen, irritiert Betrachter, die sich diesen Illusionismus am liebsten an Themen wie Sonnenuntergang, Blumen usw. demonstrieren lassen.

Das formale Problem interessiert mich. Warum ist eben diese im Grunde unperspektivische Flächengestaltung formal wirksamer, als z.B. ein "Salon"-Illusionismus, wo eben irgend eine Liebesszene, ein Göttermahl, eine Landschaft, oder sonst etwas möglichst illusionistisch wiedergegeben werden?

Weil dort eigentlich nur abgebildet wird. Entweder wird aus der Vorstellung gemalt, d.h. der Maler bildet Bilder ab, die er schon im Kopfe hat, oder es wird z.T. inszenierte Wirklichkeit abgebildet, während ich näher, direkter an der Wirklichkeit bleibe.

Ja, aber diese Illusionisten bleiben natürlich auch an der Wirklichkeit, indem sie ein Mädchen auf das Sofa legen, es abmalen und nachher Venus darunter schreiben.

Es bleibt eine Abbildung. Während........

Ja, aber Ihre Mauer auch!

........hier aber die Grenze zwischen Schein und Wirklichkeit undeutlich wird, Bild und Gegenstand in manchen Bildobjekten identisch werden. Ich finde es gut, wenn ein Bildobjekt, wie das Eisentor (s.Katalog, Abb.15) beispielsweise, irgendwo steht und nicht sofort als gemachter Gegenstand - als Kunstgegenstand erkannt wird.

Wird hier nicht das Realismusproblem von Duchamp berührt? Das banale Objekt, das in einem fremden Kontext auftaucht und dadurch einen neuen stilistischen Wert erhält?

Was den stilistischen Wert betrifft, die Schönheit des Banalen, des Gewöhnlichen, ja; was das Objekt betrifft, nein. Mein Objekt ist selbstgemacht und soll zwei Erscheinungsformen vereinigen: die des Bildes und die des Gegenstands.

Günther Wirth, in "Kunst im Deutschen Südwesten von 1945 bis zur Gegenwart", Stuttgart, 1982




Die Problematisierung der Wahrnehmung

1960, im Gründungsjahr der Gruppierung der Nouveaux Réalistes (u.a. Yves Klein, Tinguely, Hains, Arman und Villeglé), schreibt Pierre Restany im Vorwort zum Ausstellungskatalog der Galleria Apollinaire in Mailand über dieselben: "Hier sind wir, bis zum Kinn versunken in Expressivität und vierzig Grad über dem Nullpunkt Dada, ohne jeden aggressiven Impuls, ohne jede von vornherein festgelegte polemische Absicht oder irgendein Bedürfnis nach Rechtfertigung, außer durch unseren eigenen Realismus. Und alles funktioniert in einer positiven Richtung. Immer, wenn es dem Menschen gelingt, sich wieder in die Realität einzugliedern, identifiziert er sie mit seiner eigenen Transzendenz, das heißt, Emotion, Gefühl und, letzten Endes, Poesie."1)

1960 nimmt Klaus Heuser an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart sein Studium der Kunst auf und wird sich mit seiner Kunst, die sich über die Jahre vielfältig und dennoch konsequent linear entwickelt, immer wieder in die Realität eingliedern, im Sinne Restanys ein Nouveau Réaliste sein. Seit der Mitte der 60er Jahre hat sich der Künstler dem Bild und dem Objekt, als Gegenstand des Bildes wie als autonomes Ding verpflichtet, das Bild seinerseits zum Objekt gemacht, das Objekt ins Bild gesetzt. Bei allem was seither im Werk von Klaus Heuser entstanden ist, ist diese Wechselbeziehung von Bild und Objekt relevant geblieben, eingebettet in den jeweiligen Bezug zur Zeit zu sehen, aus der Zeit heraus entstanden.

Die Konfrontation mit der eigenen Gegenwart und Vergangenheit, der Geschichte im allgemeinen und der gesellschaftlichen Entwicklungen im besonderen haben das Werk des "Realisten" Klaus Heuser, der er in vielfacher Hinsicht war und ist, bestimmt.

Am Anfang steht die Malerei. Die Malerei als dingschaffendes Element nimmt sich ganz und gar lapidarer Objekte an: Wände und Mauern mit Werbung, Aufschriften und Plakaten, Bilder aus der Alltagswelt. Alltagswelt zeigen aber auch die Einblicke in ein bürgerliches Ambiente einer ganz und gar bürgerlichen Denkungsart. Nur die sofort zu erkennende Hauptfigur dieser Alltagswelt widerspricht dem Alltäglichen, bringt das Historische dieser Bildwelt zum Bewußtsein und öffnet einen Zwiespalt in unserer Wahrnehmungsfähigkeit, die Klaus Heuser auch in seinen Mauer- und Wandbildern, in seinen Frottagen, Collagen und Decollagen auf die Probe stellt.

Lapidar erscheinen Heusers 1970 und 1971 entstandene Gemälde vom Kaffeekränzchen, von der Eröffnung, von der Hausmusik, wäre nicht Adolf Hitler (und seine Schergen) zugegen. Der Künstler hat Fotos des nichtoffiziellen Adolf Hitler ins Bild gesetzt, welche die amerikanischen Archive zu Beginn der 70er Jahre der Weltöffentlichkeit preisgaben, und die den Künstler ob ihrer kleinbürgerlichen Harmlosigkeit schockierten. Im Stil der Popart, durch Betonung und Auslassungen zu akzentuieren, zugleich Anklänge an die weitverbreiteten Dekorationsbildchen vom See- bis Alpenstück assoziierend, hat Klaus Heuser seine "Deutsche Trilogie" in eine Form gegeben, die ein, aus unserem Wissen heraus, gebrochenes Bild von heiler Welt zeigt. Kann darin aber auch die andere Seite dieser bürgerlichen Existenz, jene hinter der Fassade lauernde Maschinerie des Todes offenbart werden? So stellt sich die Frage nach der Wirklichkeit, ihren Erscheinungsformen, ihrer Wahrhaftigkeit für den Künstler stets aufs Neue. Ist das, was wir sehen und wahrnehmen die Wirklichkeit oder nur ein Abbild, gar ein verändertes, der Wirklichkeit?

Diese Bilder in ihrem manipulativen Charakter (der Führer als Tier- und Kinderliebender war schließlich schon zu Zeiten des Dritten Reiches Gegenstand einer Propaganda der Verharmlosung und Tarnung des Unsagbaren) stehen als Fundament für Heusers Schaffen, als Ausgangspunkt für eine Kunstauffassung, die versucht "Objekte zu schaffen, die Gegenstand und Bild zugleich sind: wenigstens auf einem fiktiven Stück Realität zu einer Deutlichkeit zu gelangen, die eine Form von Wahrhaftigkeit ist und nicht von Manipulation".

Hier schließen die Mauer-, Wände- und Zaunbilder an, in denen man Gegenstand und Bild (des Gegenstandes) nur schwerlich trennen kann, in denen das Bild des Gegenstandes "täuschend echt" scheint, auch dadurch, daß der Maler die haptische Struktur seiner Bilder mitunter durch die Verwendung von Sandbeimischungen steigert. Hier wird der vordergründig unscheinbare Gegenstand,das Zeichen auf der Mauer, die Werbung auf der Wand, die Kritzelei auf dem Zaun, das erhaltene oder abgerissene Plakat auf dem Wellblechtor, das Alltägliche, Einfache, zum bildwürdigen Objekt der Malerei erhoben (was alle "Realisten" seit dem 15. Jahrhundert so gehalten haben). Aus der Erkenntnis, daß die Kunst in der Natur, der Umwelt, den Dingen steckt, und daß sie in ihrer autonomen modernen Setzung ebenso in den künstlerischen Mitteln selbst gegeben ist, wie etwa Adolf Hölzel konstatierte, hat Klaus Heuser seine malerische Neuschöpfung des Gesehenen zum formalen wie inhaltlichen Ziel seiner Kunst erhoben. Was Klaus Heuser in diesen Werken festhält, ist aber nicht nur die trompe l'oeil-artige Wiedergabe des Gesehenen, sondern damit vor allem auch die geschichtliche Dimension des festgehaltenen Gegenstandes, seine Lebensgeschichte, die Spuren hinterlassen hat, Vergänglichkeit offensichtlich werden läßt.

So geben etwa die Teile des Triptychons "Fructa" aus dem Jahr 1972 die ehedem auf einer Wand des Mineralbad Leuze angebrachten Reklametafeln für ein damals gängiges Fruchtsaftgetränk mit all ihren Verfallserscheinungen, Rissen, Brüchen und verblasster Reklamebemalung wieder, ein Stück Werbegeschichte der 60er und 70er Jahre in Öl auf Leinwand. Die Gemälde selbst geraten dabei in ihrer Illusion von vorgestellter Objekthaftigkeit zum Objekt und sind zugleich brilliante Malerei. In ihnen ist aber auch die ikonographische Tradition des Triptychons als religiöse Bildform auf die neue Religion der Werbung, auf die neuen Glaubensinhalte einer Konsumgesellschaft im Wirtschaftswunderland übergegangen. Klaus Heuser setzt darin gesellschaftliche Realität ins Bild, wenn auch fragmentarisch ausschnitthaft, als Spuren, die der Spurenfinder Heuser sammelt. Ein solches Bedeutunggeben in der Übertragung des Gesehenen auf die künstlerische Ebene ist all diesen auf den ersten Blick unaufdringlichen Werken eigen.

Und er führt diesen Weg in seinem Werk bis heute fort, wenngleich die Sandbilder der 90er Jahre, in denen Heuser die kristalline Struktur der feinen Sandfläche mit der malerischen Finesse zu einer besonderen sinnlichen Qualität verbindet, sich zunehmend vom Gegenständlichen lösen. Doch schaffen sie sich eine eigene Realität der Objekthaftigkeit, die sie auch immer wieder durch die Montage von Realfragmenten in die Alltagswelt zurückbindet.

Am Anfang steht die Malerei. Auf Klaus Heusers weiterem Weg erweitert sich das künstlerische Repertoire. Dazu gehören zum einen die seit Mitte der 80er Jahre entstehenden Frottagen, die als Geschichte der Steine einen wichtigen Platz innerhalb seines Oeuvres einnehmen. Es sind dies die stillen Spuren der Vergangenheit, die Klaus Heuser in Kirchen und Klöstern abgenommen und gesammelt hat, zunächst als Wiedergabe der jeweiligen Objekte, der Zeichen von Steinmetzen, der mittelalterlichen Signete wie der kirchlichen Symbole, des Krummstabes wie der Jahreszahl. Ihnen gesellen sich die Spuren zu, die die Steine aus der unabsichtlichen Beschädigung wie der Witterung, dem natürlichen Verschleiß erfahren haben, Spuren ihres steten Alterns. Im Laufe der Jahre hat Klaus Heuser aus dieser Sammlung von Zeichen und Spuren in seinen Frottagen Bildtableaus geschaffen, Collagen aus Frottagen, in denen, etwa in "das Gedächtnis der Steine" (1994), verschiedene Zeiten und damit verschiedene Realitäten aufeinandertreffen, vom Künstler beabsichtigte Korrelationen eingehen, aber auch Polaritäten schaffen zwischen weltlicher und geistlicher Zeichensprache, zwischen unterschiedlichen Strukturen, Farbgebungen und Bildträgern. Diese collagierten Frottagen sind einer über die Jahrhunderte erzählenden Bildergeschichte vergleichbar, einer Bildergeschichte der Vergangenheit, deren Sprache uns weitgehend abhanden gekommen ist, in Klaus Heusers Werken aber eine eigene poetische und ästhetische Dimension der Unmittelbarkeit und Wahrhaftigkeit erlangt.

Im Collagieren der Frottagen kommt zugleich die über die Jahre zunehmende Bedeutung der Collage als solche im Schaffen von Klaus Heuser zum Ausdruck.

Ihr grundlegendes gestalterisches Prinzip der Zusammenfügung von vordergründig Nichtzusammengehörendem und des daraus erwachsenden Neuen eröffnet eine andere Sicht auf die Wirklichkeit.

So entstehen den collagierten Frottagen vergleichbare Decollagen, Collagen und collagierte Decollagen von zurückhaltend stiller Ausdruckshaftigkeit, wie etwa "Appearing at ... " (1997). Eher aber sind Klaus Heusers Collagen und collagierte Decollagen, die die 80er und 90er Jahre, vor allem sein jüngstes Werk dominieren, von lauter und gesprächiger Intensität. Hier finden die Bilder und Bildchen der Werbung, der Zeitschriften, der Stars, Sternchen und Idole, aber auch immer wieder der Kunst, in all ihren gedruckten Publikationsfacetten vom Plakat, der Eintrittskarte bis hin zum Bildbericht, ihren Eingang. Sie kommen aus einer Welt der Bilderflut, die auch ohne TV und neue Medien alltäglich über uns hereinbricht. In diesen Werken, die Unverbundenes in einen neuen Sinn-Zusammenhang stellen, in diesem Helter - Skelter, dem HolterdiePolter, dem Durcheinander aus Coca Cola, McDonald, Mickey Mouse, Marylin Monroe, Cochise, Andy Warhol oder Joseph Beys, kommt der Geschichtssammler, der Alltagsbeobachter, der Wirklichkeitssucher Klaus Heuser zum Ausdruck, der in konzentrierter und komprimierter Bildsprache unsere Bildmanipulationsgesellschaft aufs Tableau bringt. Im Wiedererkennen dessen, was uns die moderne Allround-Konsumgesellschaft in allen Bereichen an Verlockungen entgegenhält, im scheinbaren Verstehen einer überall gesprochenen Sprache des Bildes, liegt der Reiz dieser Heuserschen Weltenbilder. Und doch erahnen wir in ihrem Angesicht unsere Wahrnehmungsdefizite.

Die "Daily Soup" (1997) zum Beispiel offeriert Campbells Suppe und läßt zugleich "Daily Soap" anklingen, die millionenfach gesehenen alltäglichen TV-Seifenopern mit den immer gleichen Geschichten, den immer gleichen Bildern, die auch ein Teil unserer Bilderrealität geworden sind. Klaus Heusers Collagen und collagierte Decollagen spielen mit diesen bildlichen und begrifflichen Assoziationen der Alltäglichkeit, in denen aus dem Nullpunkt "DaDa" à la Restany auch ein vielsagender Lied-Text "DaDaDa" der ehedem sogenannten Neuen Deutschen Welle folgen könnte. So finden "Eyecatchers", jene unerläßlichen Bestandteile einer gutgemachten Werbung, ihren wortwörtlichen Niederschlag in massenhaft eingefangenen Augen. Und über allem schwebt die Kunst, als ART BANDIT, als TRAraART, als "Die Haut der Co-Curatorin" (1997) kritisch kommentiert, auf das Alltägliche gebracht und eingebunden in eine erdrückende, die Wahrnehmung auf eine harte Probe stellende Fülle. In dieser Fülle fängt sich der Geist einer Zeit, die der Fülle lebt und der darin der Blick auf das Wesentliche gebricht. Wenn Cochise, Rothaut und großer Häuptling, seinen weißen Brüdern etwas ironisch rät: "Ihr müßt die Wahrnehmung problematisieren" (so der Titel einer großen Heuser-Collage), so meint er eigentlich das Gegenteil. Er zitiert abgewandelt, eine arg strapazierte Wendung gängiger Kunstkritik.

Und in all seinen Werken ist der Nouveau Réaliste zuhause, der seine Umwelt aufsaugt, sortiert und ihr ein neues, reales Gesicht verleiht, auch um der Wahrhaftigkeit willen.

Otto Pannewitz

Anmerkungen

1 Pierre Restany,

Erstes Manifest des Nouveau

Réalisme, Zitat in 'Popart',

München 1992, S.230

2 Sibylle Maus, Mein Objekt ist selbstgemacht....., in:

Klaus Heuser, Gegenstände,

Pforzheim 1982, n.p. (S.4)